Entscheidung über die Zulässigkeit des Bürgerbegehrens „Keine Windkraftanlagen im Daxenthaler Forst auf Haiminger Gemeindegebiet.
Mit der Zielsetzung, die Errichtung von Windkraftanlagen auf Haiminger Gebiet im Staatsforst zu verhindern, wurden in den zurückliegenden Wochen erneut Unterschriften gesammelt und auf 33 Listen am 7.8.2024 im Rathaus übergeben. Als vertretungsberechtigte Personen sind benannt Christine Neudert und Hans Altenbuchner. Die Fragestellung lautet: „Sind Sie dafür, dass die Gemeinde bereits vorhandene zustimmende Beschlüsse im Zusammenhang mit Planung, Bau und Betrieb von Windkraftanlagen auf dem Gemeindegebiet im Staatsforst aufhebt und, sofern rechtlich zulässig, jegliche Zustimmung und Einvernehmen zu Planung, Bau und Errichtung von Windkraftanlage im Wald auf dem Gemeindegebiet verweigert?“
Um die gesetzliche Monatsfrist für die Entscheidung über die Zulässigkeit des Bürgerbegehrens einzuhalten, traf sich der Gemeinderat am 26.8. zu einer Sondersitzung.
Bei der förmlichen Zulässigkeit des Bürgerbegehrens gab es diesmal keine Problem: Von den eingereichten 425 Unterschriften erwiesen sich nach der durchgeführten Prüfung 407 als gültig; das sind 19,78% der Wahlberechtigten und damit ist das 10%-Quorum erfüllt. Auch sind die vertretungsberechtigten Personen ordnungsgemäß benannt und weiterhin tätig.
Die mit dem Bürgerbegehen eingereichte Fragestellung erfüllt aber nicht die materiell-rechtlichen Voraussetzungen.
Teil 1 der Frage bezieht sich auf Beschlüsse des Gemeinderates, mit denen er „Planung, Bau und Betrieb“ zugestimmt hat; diese Beschlüsse sollen aufgehoben werden.
Bislang hat der Gemeinderat ausschließlich in seiner Sitzung vom 26.1.2023 vier Beschlüsse gefasst:
Beschluss (1):
Die Gemeinde Haiming begrüßt das Vorhaben der Bayerischen Staatsforsten Rückenwind ChemDelta als einen wichtigen Beitrag zur Energieversorgung der Industrie in der Region und hält dazu auch den Einbezug der Staatsforstflächen im Bereich der Gemeinde Haiming für möglich. Mit 15:0 Stimmen.
Beschluss (2):
Die Gemeinde Haiming erklärt sich damit einverstanden, dass die Bayerischen Staatsforsten dazu ein öffentliches wettbewerbliches Auswahlverfahren initiieren und damit den geeigneten Bieter für die Planung, Errichtung und den Betrieb der Windenergieanlagen ermitteln. Mit 15:0 Stimmen.
Beschluss (3):
Die Gemeinde Haiming wird im weiteren Verlauf bei den notwendigen planungsrechtlichen und vertraglichen Schritten konstruktiv mitwirken. Mit 14:1 Stimmen.
Beschluss (4):
In dem Auswahlverfahren sollte bereits vorgesehen sein, dass über die gesetzlich vorgeschriebene Bürgerbeteiligung bei den Planungsschritten auch eine finanzielle Bürgerbeteiligung möglich ist. Aus Sicht der Gemeinde Haiming wäre dabei eine genossenschaftliche Organisation dieser Beteiligung die bevorzugte Variante. Mit 15:0 Stimmen.
Lediglich Beschluss 2 hat davon eine rechtliche Wirkung: Denn auf Grund der zum damaligen Zeitpunkt gültigen Kommunalklausel galt für die Bayer. Staatsforsten die Selbstverpflichtung, nur in den Gemeinden Windkraftanlage zu errichten, in denen das jeweilige Kommunalgremium dem Auswahlverfahren zur Bestimmung eines Vorhabenträgers zugestimmt hat. Im Standortsicherungsvertrag mit Qair war deswegen auch eine Klausel enthalten, dass bei Aufhebung dieses Beschlusses auf Grund eines Bürgerentscheids der Staatsforst im jeweiligen Gemeindegebiet nicht mehr für Windkraftanlagen genutzt werden kann. So ist das in der Gemeinde Mehring geschehen.
Diese rechtliche Situation hat sich mittlerweile grundlegend verändert: Mit Schreiben vom 19.8.2024 teilte Staatsminister Aiwanger der Gemeinde mit, dass in der Aufsichtsratssitzung der Bayer. Staatsforsten am 26.6.2024 der kommunale Zustimmungsvorbehalt für Windkraftanlagen im Staatswald aufgehoben wurde und im Anschluss daran auch die vertraglichen Vereinbarungen mit Qair Deutschland angepasst wurden. Wörtlich heißt es in dem Schreiben: „Damit haben Bürgerentscheide keine direkte Auswirkung auf das Vertragsverhältnis mehr. Die Flächen in Haiming können unabhängig von einem eventuellen weiteren Bürgerbegehren mit Windenergieanlagen bebaut werden.“
In gleicher Weise äußert sich der Vorstand der Bayer. Staatsforsten mit Mail vom 20.8.2024: „Sofern Kommunen aufgrund von Bürgerentscheiden ihre zustimmenden Gemeinderatsbeschlüsse zu dem Windparkprojekt im Altöttinger und Burghauser Forst aufheben, hat dies mit der neuen Beschlusslage des Aufsichtsrates der BaySF und den entsprechend angepassten Verträgen mit Qair Deutschland GmbH keine Auswirkungen mehr auf die Vertragsverhältnisse zwischen den BaySF und dem Unternehmen Qair Deutschland GmbH.“
Damit hat die Forderung des Bürgerbegehrens, zustimmende Beschlüsse aufzuheben, keine Auswirkung mehr; die Windkraftanlagen im Bereich des Staatsforstes können weiter geplant und gebaut werden. Der angestrebte Beschluss geht rechtlich ins Leere, dieser Teil der Fragestellung hat nur eine unverbindliche Meinungsäußerung zum Inhalt. Dazu hat der Bayer. Verwaltungsgerichtshof entschieden: „Wo es nichts zu entscheiden gibt, kann auch kein Bürgerentscheid stattfinden. Das Rechtsinstitut (Bürgerentscheid) wurde nicht dazu geschaffen, unverbindliche Meinungsumfragen abzuhalten. Ein Bürgerbegehren ohne irgendwelche rechtlichen Auswirkungen ist deshalb unzulässig.“
Daran ändern auch nichts die von den vertretungsberechtigten Personen im Schreiben vom 12.8.2024 vorgebrachten Einwände hinsichtlich Anwendung der Kommunalklausel und Wirksamkeit der Veränderung der Verträge mit Qair. Denn durch die Schreiben des Staatsministers und des Vorstandes von Bayer. Staatsforsten ist klar, dass die Abschaffung der Kommunalklausel sofort und nicht erst „künftig“ wirksam ist. Und ob die Veränderung des Standortsicherungsvertrages mit Qair wettbewerbsrechtliche Auswirkungen gegenüber Mitkonkurrenten hat, ist ohne Belang. Denn entscheidend ist, dass die Bayer. Staatsforsten als Verpächter der Staatsforstfläche die Wirksamkeit des Vertrages nicht mehr vom Ausgang eines Bürgerentscheides abhängig machen.
Der erste Teil der Fragestellung hat keine rechtliche Wirkung, das Bürgerbegehren ist deswegen materiell unzulässig.
Gleiches gilt auch für den zweiten Teil der Fragestellung. Darin wird gefordert, dass die Gemeinde jegliche Zustimmung und Einvernehmen zu Planung, Bau und Errichtung von Windkraftanlagen im Wald auf dem Gemeindegebiet verweigert, sofern rechtlich zulässig.
Die Windkraftanlagen auf dem Gebiet der Gemeinde Haiming im Bereich Daxenthaler Forst sind nach den Bestimmungen des BImSchG genehmigungspflichtig. Dabei gehören die Vorgaben des Bauplanungsrechtes zu den Genehmigungsvoraussetzungen. Lediglich für diesen bauplanungsrechtlichen Teil des Verfahrens ist die Gemeinde durch das gemeindliche Einvernehmen gem. § 36 BauGB beteiligt. Darauf zielt offensichtlich die Fragestellung „…jegliches Einvernehmen zu Planung … verweigert“ ab. Auch hier haben sich wesentliche rechtliche Veränderungen ergeben: Durch das Wind-an-Land-Gesetz gilt für Windkraftanlagen jetzt nicht mehr § 35 BauGB, sondern § 249 BauGB. Gem. Abs.1 dieser Bestimmung entfällt die einschränkende Wirkung des § 35 Abs.3 BauGB und hinzu kommt, dass durch die 17. Teilfortschreibung des Regionalplanes Südortoberbayern der Bereich, in dem die Windkraftanlagen errichtet werden sollen, als Windvorranggebiet ausgewiesen wurde. Damit können hier durch eine gemeindliche Bauleitplanung Windkraftanlagen nicht ausgeschlossen werden. Es gibt somit keinen bauplanungsrechtlichen Gesichtspunkt, aus dem heraus die Gemeinde das Einvernehmen zur Planung von Windkraftanlagen - so wie derzeit im Daxenthaler Forst vorgesehen – verweigern könnte. Für das Einvernehmen im baurechtlichen Verfahren gibt es für die Gemeinde keinen Ermessensspielraum, rechtlich zulässig kann das Einvernehmen für Windkraftanlagen im Windvorranggebiet nicht verweigert werden. Wenn aber die Entscheidung des Gemeinderates rechtlich vorgegeben (gebunden) ist, kann darüber nicht in einem Bürgerentscheid abgestimmt werden.
Andere „Zustimmungen und Einvernehmen zu Bau und Errichtung“ gibt es für die Gemeinde nicht – sie kann hier, wie andere Bürger auch, auf verschiedene Belange im Rahmen des Genehmigungsverfahrens hinweisen und deren Einhaltung fordern, dazu aber keine rechtlich wirksamen Entscheidungen treffen.
Der Bürgermeister nahm in diesem Zusammenhang Bezug auf einen offenen Brief der Bürgerinitiative Gegenwind, in dem eine Reihe dieser Belange dargestellt ist und erklärte, dass eine Reihe davon bereits im Scopingtermin in Burgkirchen angesprochen wurde, einige zusätzliche Gesichtspunkte durchaus bedenkenswert sind und dies im AK Energie sicherlich bearbeitet wird und sich daraus auch konkrete Vorschläge im Genehmigungsverfahren ergeben.
Zu Beginn der Diskussion erhielten Frau Christine Neudert und Herr Hans Altenbuchner als vertretungsberechtigte Person Rederecht. Zuvor hatte der Bürgermeister hinsichtlich eines Schreibens von Frau Neudert vom 23.8.2024 klargestellt, dass er im Informationsgespräch am 22.8.23024 auch auf die Verantwortung der Initiatoren eines Bürgerbegehrens hingewiesen hat: Es sollten nur Unterschriften zu Fragestellungen gesammelt werden, die auch in der Entscheidungskompetenz der Gemeinde liegen. Wenn tatsächlich ein drittes Mal Unterschriften zum Thema Windkraftanlagen gesammelt werden sollen, regte er an, doch vorab zu klären, ob es sich um eine zulässige Fragestellung handelt. Keineswegs wurde angeboten, gemeinsam eine Fragestellung zu erarbeiten, diese dann zu einem Bürgerentscheid „passieren“ zu lassen und von einem Ratsbegehren war in diesem Gespräch keine Rede. Der Bürgermeister betonte, dass er sich bei der gegebenen Rechtslage keine zulässige Fragestellung vorstellen könne und für das bisherige und auch künftige Handeln von Gemeinderat und Bürgermeister ein Ratsbegehren nicht notwendig ist.
Frau Neudert und Hans Altenbuchner erläuterten die Zielsetzung ihrer Initiative, die unabhängig von der BI Gegenwind gestartet wurde. Sie seien nicht grundsätzlich gegen Windkraftanlagen, halten diese in dieser Größenordnung und wegen der Vielzahl im Staatsforst für unvertretbar, Dies auch deswegen, weil auf Haiming eine Reihe anderer großer Projekte zukomme, die alle wichtig sind und auch große Flächen beanspruchen. Aus ihrer Sicht habe der Gemeinderat Haiming damals zu schnell den Windrädern zugestimmt und es sollten die Bürger jetzt die Möglichkeit haben, ihre Meinung dazu in einem Bürgerentscheid zu sagen. Trotz der veränderten Rechtslage müsse es möglich sein, eine Fragestellung zu erarbeiten, mit der die Sinnhaftigkeit der Windkraftanlagen überprüft werden kann. In dieser Richtung sei auch ihr letztes Schreiben zu verstehen, in dem auch die Durchführung eines Ratsbegehrens vorgeschlagen wurde.
In der weiteren Diskussion erläuterten eine Reihe von Gemeinderäten ihre positive Einstellung zur Notwendigkeit von Windkraftanlagen und dass sie die Entscheidung vom Januar 2023 weiterhin für richtig halten.
Vor der Abstimmung stellte der Bürgermeister hinsichtlich der Fragestellung des Bürgerbegehrens nochmals zusammenfassend fest, dass die angestrebten Handlungen der Gemeinde entweder ohne rechtliche Auswirkung sind (Teil 1) oder aber zu einer Entscheidung führen, die nach Rechtslage im Genehmigungsverfahren sowieso verpflichtend ist (Versagung des Einvernehmens, wenn rechtlich zulässig, Teil 2).
Der Gemeinderat hat dann mit 11:0 Stimmen das am 7.8.2024 eingereichte Bürgerbegehren „Keine Windkraftanlagen im Daxenthaler Forst auf Haiminger Gemeindegebiet“ als materiell unzulässig wegen fehlendem Regelungsgehalt der Fragestellung abgelehnt. Der beantragte Bürgerentscheid findet deswegen nicht statt.
Wolfgang Beier